Über das Facebook-Monopol und die Telekom der 1990er Jahre

3. Apr 2018·
Samuel Teuber
Samuel Teuber
· 5 min read

Die Übermacht von Facebook

Für soziale Netzwerke gibt es den Grundsatz, dass der Wert des Netzwerks quadratisch mit der Zahl der Nutzer steigt. Die Zahl der Nutzer im Quadrat gibt an wie viele verschiedene Verbindungen zwischen den Nutzern theoretisch möglich wären und bietet so eine recht genaue Abschätzung der Nützlichkeit des Netzwerks. Facebook ist nach dieser Kalkulation aktuell sehr wertvoll. Geht man nach der Zahl der monatlich aktiven Nutzer errechnet sich ein “Wert” von über 4,5 Trillionen. Hierbei handelt es sich natürlich nicht um einen Wert in Dollar und dennoch zeigt die Anzahl der “möglichen Verbindungen” sehr deutlich wie wichtig Facebook inzwischen ist. Insbesondere in Kombination mit Daten über die aktuell beliebtesten sozialen Netzwerke (3 der 4 beliebtesten gehören zu Facebook) — zeichnet dies ein Bild des faktischen Monopols, das sich Facebook über die letzten 10 Jahre geschaffen hat. Dies ist insofern problematisch, als der Mehrwert eines potenziellen Wettbewerbers meist durch den Netzwerkeffekt von Facebook wettgemacht wird. Egal wie viel besser die Funktionalitäten eines Mitbewerbers wären: Man könnte sich dort nicht (von Anfang an) mit über 2 Milliarden Menschen verbinden. Gehen wir in diesem Artikel also davon aus, dass Facebook ein Monopolist ist und fragen uns, wie wir dieses Monopol brechen können.

Ein Gedankenexperiment

Man stelle sich vor im Jahr 1996 hätte man beschlossen, dass die Telekom nicht länger ein Monopol für Festnetzverbindungen in der Bundesrepublik Deutschland hätte: Man hätte zugelassen, dass auch andere Anbieter Kabel verlegen und Telefonverbindungen anbieten können. Man stelle sich dies vor, aber mit einem wichtigen Unterschied zu dem was tatsächlich geschehen ist: Gehen wir davon aus, die Telekom wäre nicht dazu gezwungen gewesen andere Telefonnetze und ihres zusammenzuschalten. O2, E-Plus usw. wären also berechtigt gewesen Telefonnetze aufzubauen, allerdings könnte man bei O2 nur andere O2-Kunden erreichen, bei E-Plus nur andere E-Plus-Kunden und aus dem Telekom-Netz schließlich auch nur andere Telekom-Kunden. Hätte dies das Monopol der Telekom tatsächlich beendet? Nein! Denn wer würde schon in ein anderes Netz wechseln, in dem man dann nur einen Bruchteil der Personen erreichen kann? Die Verpflichtung zur Zusammenarbeit - zum Anbieten von Schnittstellen - war ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste, Teil des damaligen Telekommunikationsgesetzes.

Das Facebook von heute ist die Telekom von damals

Anstatt heute Facebook bei der Gestaltung des Internets das Feld zu überlassen, müssten wir eigentlich den Markt gesetzlich derart gestalten, dass aus einem monopolistischen Markt ein Markt mit vielen gleichgestellten Anbietern wird. Diese müssen sich gegenseitig Schnittstellen zur Verfügung stellen und so dem Kunden eine Wahl lassen, ohne dass dieser auf Grund des Netzwerkeffekts Nachteile erfährt. Anstatt eines einzigen Anbieters (Facebook) hätten wir dann für ähnliche Dienstleistungen viele Anbieter.

Beispielhaft nehmen wir an neben Facebook — und anderen Anbietern — hätte sich das Unternehmen Tela (Fantasiename) am Markt etabliert und würde Dienstleistungen ähnlich denen von Facebook anbieten. Facebook, Tela und alle anderen Anbieter wären nun per EU-Recht verpflichtet den jeweils anderen (ähnlich wie im Festnetz- oder Mobilfunkmarkt) zu angemessenen Tarifen vertraglich geregelt Schnittstellen anzubieten. Nehmen wir nun an Samuel hätte ein Konto beim Anbieter Tela und würde sich nun gerne mit Paul, der ein Konto bei Facebook hat, verbinden. Er könnte dann nach Paul suchen und über eine globale Kennung (ähnlich einer Telefonnummer), eine Freundschaftsanfrage an Paul stellen, da Tela und Facebook per Schnittstelle verbunden sind. Zukünftig würde Samuel Mitteilungen von Paul in seinem Newsfeed angezeigt bekommen und könnte sich per Chat mit Paul unterhalten. Dies wäre möglich, obwohl beide Personen jeweils nur ein Konto bei einem der beiden Anbieter hätten.

Technisch gesehen wäre ein solches System ohne Problem möglich — bereits heute bietet Facebook eine Schnittstelle (genannt API) an, die Zugriff auf die Facebook Plattform ermöglicht. Die Schnittstelle ist allerdings nicht in dem Umfang verfügbar, den heute ein solches System ermöglichen würde. Eine derartige “Dezentralisierung” würde es erlauben, dass bereits mit den heutigen technischen Möglichkeiten die Monopole von Digitalunternehmen, die auf den Netzwerkeffekt setzen, aufgebrochen werden könnten. Nicht länger würde das Unternehmen mit den meisten Nutzern auf dem Wettbewerb bestehen, sondern das Unternehmen mit dem besten Angebot.

Aber wäre das nicht ungerecht gegenüber dem Unternehmen Facebook?

Facebook müsste sich über so ein Gesetz nur dann sorgen machen, wenn es wüsste, dass Wettbewerber den Facebook-Nutzern ein besseres Angebot machen werden. Wenn Facebook das allerdings wüsste, stellt sich die Frage, warum Facebook dieses bessere Angebot nicht selber macht. Eine derartige Situation würde dafürsprechen, dass Facebook seine aktuelle Marktsituation über die Maße ausnutzt. Es würde bedeuten, dass Facebook ein Angebot macht, von dem es weiß, dass es nicht optimal ist und von dem es aber auch weiß, dass die Nutzer “davon abhängig sind”. Eine derartige Verachtung von Facebook gegenüber dem Nutzer - also der Person, die der Plattform einen Wert gibt - kann und darf nicht toleriert werden. Natürlich ist eine solche Schnittstellenregelung kein Allheilsmittel. Alle Unternehmen müssten genauso auch dazu verpflichtet werden die Schnittstelle verantwortlich zu nutzen (Datenschutz) und es bräuchte — ähnlich der Bundesnetzagentur — eine Aufsichtsbehörde. Auch ein Wechsel zwischen verschiedenen Anbietern müsste dem Kunden ermöglicht werden und es bräuchte ganz allgemein viele Regelungen zum Schutz der Kunden aber auch der Wettbewerber voreinander.

Eine genaue, zukunftsfähige Ausgestaltung eines solchen Gesetzes wäre sicherlich nicht einfach, doch — auf EU-Ebene — würde dies die Möglichkeit bieten dem Facebook-Monopol endlich effektiv entgegenzutreten. Es würde die Macht aus den Händen der Silicon-Valley-Barone nehmen und sie den Bürgern zurückgeben. Diese hätten dann die Möglichkeit zu entscheiden welchem Unternehmen sie ihre Daten anvertrauen wollen bzw. wessen Angebot sie nutzen wollen. Wir kämen zurück zu einem Modell in dem die Unternehmen um die Nutzer werben. Für den Worst-Case würde obige Lösung sogar eine Zerschlagung des Kernprodukts von Facebook ermöglichen, ohne dass die Nutzer auf ihr soziales Netzwerk verzichten müssten.

Samuel Teuber
Authors
PhD Student
Interested in formal methods for software and machine learning verification with a focus on cyber-physical systems and algorithmic fairness.