Refreshingly structured

Als mich am Sonntag morgen beim Pancake-Frühstück im Hostel einer der anderen Gäste fragte was ich von Washington DC hielte war meine Antwort spontan “refreshingly structured” im Gegensatz zu den (zugegebenermaßen noch wenigen) anderen Städten die ich in den USA bis jetzt gesehen habe, scheint mir Washington duch seine explizite Stadtplanung und den Fokus auf klassizistische Architektur deutlich strukturierter zu sein, als die durchschnittliche US-Stadt – und definitiv strukturierter als Pittsburgh Downtown. Am vergangenen Wochenende habe ich Washington DC besucht und dabei einige interessante Museen, Monumente und Personen kennengelernt. Aber spulen wir vielleicht etwas zurück…

Am Freitag stand ich sehr früh (also so gegen 3:30 Uhr) auf und machte mich kurz nach 4 auf dem Weg zur Pittsburgh Union Station, die unteranderem deshalb so heißt, weil es dort einen Zug gibt, der zur Washington Union Station fährt (den sogenannten “Capital Limited”). Gegen 5 war ich dann am Bahnhof wo ich erfuhr, dass mein Zug nicht wie erwartet gegen 5 Uhr eintreffen würde, sondern erst zwischen 6 und 7 (tatsächlich war es dann kurz nach 7). Etwas enttäuscht dass ich “umsonst” so früh aufgestanden war wartete ich dann also am Bahnhof bis dann schließlich der Zug eintraf. In den USA ist es wohl so, dass im Allgemeinen die Gürterzüge gegenüber Passagierzügen Vorrang haben (also genau umgekehrt wie z.B. in Deutschland) – das in Kombination mit den extrem langen Strecken, die einzelne Zuglinien hier zurücklegen sorgt dann schnell für derartige Verspätungen. Das schöne für Amtrak ist: Das ist nicht weiter schlimm, weil es keine Pünktlichkeitsgarantie gibt. Das heißt egal wie spät der Zug, du bekommst kein Geld zurück. Höchstens vielleicht ein Motel o.ä., wenn du deinen gemeinsam gebuchten Anschluss verpasst. Während der Zugfahrt lohnt es sich einen Tee oder Kaffee im Speisewagen zu trinken, da der zum einen auch nicht teurer ist als im durchschnittlichen Cafe und zum anderen Zugang zum Speisewagen ermöglicht wo man aus großen Panoramafenstern den Flussläufen entlang der Bahnlinie zuschauen kann. Gegen 15:15 kam ich dann schließlich in Washington an und sah beim Verlassen des Bahnhofs auch sofort das Capitol:

Einige dieser Bilder stammen auch vom nächsten Tag

Da ich nicht den ganzen Freitag über mein Gepäck mit mir herumtragen wollte, ging ich zunächst zum Hostel um dort einzuchecken – das funktionierte soweit auch problemlos und nachdem ich meine Sachen dort abgelegt hatte zog ich mit meiner Kamera wieder Richtung National Mall los. Ursprünglich hatte ich geplant erst am Samstag die Mall anzusehen, da ich allerdings feststellen musste, dass der Wetterbericht für Samstag schlimmes voraussagte, beschloss ich dies auf Freitag vorzuziehen und mich einer Walking Tour “Monuments & Moonlight” am Abend anzuschließen. Nachdem ich das Capitol zunächst nochmal von Näher angeschaut hatte, machte ich mich dann auf den Weg zum Washington Monument von wo aus die Tour losgehen sollte. Auf dem Weg wollte ich noch etwas zu essen finden – das stellte sich in diesem Moment als gar nicht so einfach heraus und so fand ich schließlich nur einen Sandwich Shop in einer nahegelegenen Mall. Aber immerhin… Die Tour im Anschluss war sehr sehens-/hörenswert: Unser Führer, der wie sich am Ende herausstellen sollte erst seine zweite Stadtführung gab, führte uns geschickt mit viel historischem Fachwissen durch die Denkmals-Landschaft entlang der Mall bis hin zum Lincoln-Memorial.

Auf der Führung traf ich die ersten beiden Charaktere meines Kurztrips. Da ich sie alle nicht um Erlaubnis gefragt habe werde ich hier keine Namen nennen, sondern einfach nur kurz erzählen wen ich so getroffen habe:

Einen Polen, der nach einem Biomedizin Studium in Polen und Irland nun über einen Libertären Verein an einem Austauschprogramm in Arizona teilnimmt. Von einer anderen libertären Organisation eingeladen, war diese Gruppe für eine Woche in Washington um dort republikanische Politiker kennenzulernen. Die haben ihm erzählt, dass die Obdachlosen, die man in Washington sieht erst seit der Biden-Administration da seien (Ob das stimmt? Ob man sie davor bloß nicht gesehen hat oder sie einfach wo anders waren? Keine Ahnung…). In Arizona hört er Kurse an der Arizona State University, hat verschiedene Workshops (z.B. auf einer Shooting Range) und schaut sich jetzt am letzten Tag in Washington noch etwas die Stadt an

Eine Inderin, die in Kanada in der IT-Abteilung einer Bank arbeitet. Eigentlich hat die Bank viel der Programmier-Arbeit in die Ukraine outgesourct. Das geht jetzt nicht mehr, weshalb wohl eigentlich so eine Art Urlaubssperre verhängt wurde, aber glücklicherweise hatte sie schon zuvor den Urlaub beantragt. Sie reist nun von Washington über New York und Boston die Ostküste hoch.

Im Anschluss an die Führung liefen wir gemeinsam noch zum White House, das leider von allen Seiten relativ verbarikadiert ist, sodass man nur wenig davon sehen konnte (auch das angeblich erst seit Biden so… ;) ).

Da ich dann insgesamt doch schon sehr lange wach war (und auch zu müde für eine sich andernfalls bereits zwangsläufig anbahnende Diskussion über Steuergerechtigkeit), verabschiedete ich mich im Anschluss und lieft zurück zum Hostel, dort traf ich dann noch meinen Zimmernachbarn, der allerdings direkt ankündigte bereits um 4 Uhr morgens zum Flughafen zu fahren.

Am nächsten morgen frühstückte ich in netter Atmosphäre zunächst im Hostel wo es jeden Morgen Pancakes gibt. Die Frühstücksgesellschaft war sehr nett. Unter anderem:

Ein junger deutscher Polizist erzählte, dass es üblich ist unter Polizist:innen Badges auszutauschen (quasi wie Abzeichen auf Pfadfinderkluften). Zwar hat er schon einige aus den USA, aber beim Secret Service hat es leider nicht geklappt, weil der Tauschgewillte Secret Service Agent leider gerade keine Abzeichen mehr da hatte. Zuvor war er in Sacramento

Ein junges Paar aus der französischsprachigen Schweiz, das einen Rundtrip durch die USA macht und ebenfalls zuvor in Sacramento war. Über das Hostel des Polizisten hätten sie Schaudergeschichten gehört: Eine Bande würde dort ihr Unwesen treiben und unschuldige Rucksacktouristen ausrauben.

Im Anschluss beschloss ich dann (in Anbetracht des tobenden Schneesturms) so schnell wie möglich ins Museum zu kommen. Leider stellte sich dabei schnell heraus, dass die App mit der ich zunächst hoffte Bustickets kaufen zu können nicht ordentlch funktionierte und so entschloss ich mich doch erstmal zu laufen. Nachdem ich auf dem Weg zum Museum in einer Metrostation für alle Fälle dann doch mal eine Karte für den öffentlichen Nahverkehr gekauft hatte, ging ich zunächst in die National Gallery of Arts in der ich unter anderem einige wunderschöne Werke von Monet bestaunen konnte.

Als ich mich dort an Seerosen und anderen Landschaftsbildern satt gesehen hatte, war es eigentlich auch schon Mittagessenszeit und so beschloss ich mit dem Bus (das konnte ich ja jetzt) zum Old Ebbit Grill zu fahren, das ich in einem Reiseführer als Empfehlung gelesen hatte. Zwar konnte ich ohne Reservierung keinen Tisch mehr ergattern, aber ich konnte mich in einer der vier Bars des Restaurants niederlassen und dort ein Mittagessen zu mir nehmen, das zwar nicht ganz billig war, aber nach den 1,5 Tagen Sandwiches u.ä. erfrischend warm und abwechslungsreich war (Lachs mit Linsen und Spinat, dazu ein alkoholfreies IPA). Der Old Ebbit Grill hat laut Wikipedia eine sehr ausführliche Geschichte, die ich mir aber noch nicht vollständig durchgelesen habe.

Im Anschluss ging es für mich dann (diesmal mit der Metro – was ein Luxus) in das National Museum of the American Indian wo ich eine Ausstellung über einen Raben, der das Licht in die Welt brachte bestaunen konnte und im Anschluss eine weitere Ausstellung besichtigte, die sich mit den Verträgen zwischen den United States und den American Indian Nations beschäftigt. Gerade dieses Thema fand ich super spannend, auch wie hier Kulturen aufeinandertrafen die jeweils geschriebenem oder gesprochenen Wort mehr Gewicht beimaßen, allerdings ließen meine Füße bereits etwas nach und so schaute ich diese Ausstellung nur noch teilweise an. Im Anschluss schaute ich dann noch kurz in das Air and Space Museum nebenan rein, bevor ich mich auf den Heimweg machte und auf halbem Weg bei einem Kaffee haltmachte. Ursprünglich hatte ich überlegt noch entweder in China Town oder in einem anderen Restaurant abendzuessen, da meine Beine leider aber absolut keine Lust mehr auf Laufen hatten, entschloss ich mich in dem Kaffee auch direkt zu Abend zu essen und von dort erstmal wieder zum Hostel zu gehen. Im Hostel traf ich dann einige Leute die ebenfalls auf meinem Flur wohnten und unterhielt mich für den Rest des Abends mit ihnen statt mich ein weiteres Mal der bitteren Kälte auszusetzten:

Eine Koreanerin, die in den USA Economics studierte und in Washington war um sich die Stadt anzuschauen. Früher hat sie wohl auch mal in Mannheim studiert. Sie beklagte etwas, dass sie ausgerechnet in St. Louis studiert wo Budweiser seinen Hauptsitz hat, was wohl Einfluss auf die Verfügbarkeit anderer (also besserer) Biersorten hat…

Ein Buchhalter einer staatlichen Bank in Argentinien, der aus geschäftlichen Gründen in New York gewesen war und nun Urlaub genommen hatte, um die Ostküste runterzufahren. Er ist mit seinem Job sehr zufrieden, obwohl die Inflation im Land wohl schon übel sein muss – das überraschte auch die als Ökonomin daran sehr interessierte Koreanerin. Ich hab nicht alles verstanden, aber anscheinden gibt es im Land verschiedene Dollar-Peso Wechselkurse und wenn man das (wie er) geschickt handhabt, kann man damit wohl ganz gut leben.

Zwei deutsche Au-Pair Mädchen, die in New Jersey arbeiteten und auch über das Wochenende nach DC zum Sightseeing gekommen waren. Eine hatte bereits eine Krankenschwestern-Ausbildung hinter sich und überlegt aktuell ihre Au-Pair Zeit um ein weiteres Jahr zu verlängern, die andere hatte kurz zuvor ihr Abitur gemacht. Die Krankenschwester kommt aus der Nähe von Köln und vermisst in den USA vor allem Gemüsebrühe und Backerbsen, die sie sich aber von zuhause schicken lässt. Die beiden gingen später noch aus – was uns (also mich, die Ökonomin und den Buchhalter) in Anbetracht der Kälte alle sehr beeindruckte.

Am nächsten Morgen gab es dann wieder Pancakes und ich traf einen Spanier aus San Sebastian, der Urlaub in den USA machte, zwei Informatik-Doktoranden aus Illinois und einen Tschechen, der am MIT im Bachelor studiet. Der Tscheche war wegen der Botschaft in Washington, die anderen auch zum Urlaub.

Als ich im Hostel ausgecheckt hatte kam ich zum Xten Mal an der Carnegie Library in Washington vorbei, die sehr in der Nähe meines Hostels lag, und beschloss dort doch nochmal reinzuschauen. Was man wissen muss: Draußen steht auf dem Schild “Carnegie Public Library” und oben drüber ist das Apple Icon. Ich fand die Idee, dass die Robber Barons von Gestern die Bibliothek gegründet haben und die Robber Barons von heute diese nun unterstützen irgendwie witzig. Da war ich allerdings zu naiv: Tatsächlich unterstütz Apple nicht etwa die Carnegie Public Library, sondern hat das Gebäude einfach ganz geschickt in einen Apple Store umgewandelt: Wenn man reinkommt findet man keine alt-ehrwürdigen Bücherregale, sondern elegante moderne Holztische auf denen iPhones u.ä. angepriesen werden.
Ehrlicherweise muss man sagen, dass das Gebäude wohl bereits vor Apple nicht mehr als Bibliothek benutzt wurde. Im Anschluss besuchte ich noch das National Building Museum, welches in einem sehr interessanten Bau beheimatet ist.

Von dort lief ich dann nochmal zum Capitol wo die St Patricks Day Parade losgehen sollte. Die große St Patricks Day Parade wurde aus finanziellen Gründen verschoben und so war bereits angekündigt worden, dass es sich bei dieser Parade um ein eher kleines Event handeln würde. Dem war dann auch so (insgesamgt vielleicht 100 Leute). Von dort ging ich dann noch zum American History Museum wo ich noch in eine Ausstellung über die amerikanische Demokratie reinschaute (mit dem Schreibpult von Jefferson) und im dortigen Kaffee zu mittagaß.

Von dort ging es dann zurück zum Bahnhof. Während ich auf den Zug wartete hielt ich noch etwas Smalltalk mit einer Frau, die mich zunächst für einen Iren hielt:

1981 hat sie wohl eine Reise durch die UDSSR mit der transibirischen Eisenbahn gemacht und kam schließlich in Berlin am Checkpoint Charley an. In Westberlin übernachtete sie dann einige Tage beim Vater einer Freundin – der zufällig der Botschafter in Berlin war. Im Anschluss setzte sie ihre Reise nach Paris, London und Edingburgh fort bevor sie dann von Frankreich aus nach Süd-Korea fliegen musste (wohl aus Arbeitsgründen?).

Im Zug traf ich schließlich noch einen anderen Studenten, der ebenfalls auf dem Weg nach Pittsburgh war:

Er studierte zunächst Bioengineering, beschloss dann aus Interesse noch Nursing nebenbei zu studieren und überlegt nun fast eher zweites weiter zu verfolgen. Auf der Zugfahrt musste er noch für einen Test am nächsten Tag lernen.

Insgesamt war mein Trip nach Washington auf jeden Fall eine spannende Erfahrung – einerseits ist DC natürlich eine spannende Stadt und andererseits war es spannend wen man auf so einer Reise alles trifft, auch wenn dies nun alles sehr flüchtige Bekanntschaften waren.
Ich merke langsam auch, dass man wohl mit der Wohnzeit in Amerika auch langsam besser im Small-Talk wird…

Samuel Teuber
Samuel Teuber
Doctoral Researcher

Interested in formal methods for software and machine learning verification with a focus on cyber-physical systems and algorithmic fairness.